Andere rüsten ihre Blogs auf, ich rüste ab 🤭
Ich nehme vermehrt wahr, das viele Bloger:innen damit anfangen ihre WordPress-Blogs in Richtung Fediverse und Webmentions aufrüsten.
Um was geht es
Mithilfe eines Plugins lassen sich WordPress-Blogs recht einfach zu einer eigenen Fediverse-Instanz aufwerten. So ist es möglich, dem Blog oder einzelnen Autoren aus dem Fediverse heraus zu folgen. Das wirklich Interessante dabei ist: Antwortet jemand im Fediverse auf einen Blogbeitrag, wird die Antwort als Kommentar im Blog angezeigt. Kommentiert man diese Antwort im Blog, wird der Kommentar wiederum im Fediverse angezeigt. Es findet also eine echte Zweiwegekommunikation statt und das WordPress-Blog ist sozusagen die Zentrale, über die ich alles steuere. Das hat den Vorteil, dass ich neue Beiträge nicht extra mit Beschreibung und Link über einen bestehenden Account manuell posten muss. Ein weiterer Vorteil ist, dass alles in meinem Blog zusammenläuft. Kommentare aus dem Fediverse und Beiträge, die auf der Website kommentiert wurden.
Webmentions
Webmentions sind hingegen die neuen Ping- und Trackbacks – allerdings greift diese Bezeichnung zu kurz und ist auch nicht ganz richtig. Aber lassen wir das mal so stehen. Früher haben sich Blogs häufig über Trackbacks vernetzt. Mithilfe von Trackbacks konnten Blogger andere Blogger darüber informieren, dass sie auf einen ihrer Beiträge Bezug genommen oder ihn verlinkt haben. Das Ergebnis war ein Kommentar mit Textauszug im Blog des anderen, der auf den eigenen Beitrag verwies. Das war eine wirklich schöne Funktion, um sich zu vernetzen. Nur kam sie mit der Zeit aus der Mode. Das lag sicherlich auch an der zuständigen XML-RPC-Schnittstelle, die lange Zeit ein gewisses Sicherheitsrisiko bei WordPress darstellte. Ich habe sie deswegen immer bei all meinen Blogs deaktiviert. Mit den moderneren Webmentions wird diese Möglichkeit wiederbelebt, zudem ist damit noch sehr viel mehr möglich.
Wo wird es langfristig hingehen?
Nicht nur bezogen auf WordPress wird es sicherlich in die Richtung gehen, eine Zentrale zu haben, über die ich die Hoheit habe und auf der alles zusammenläuft. Warum auf unterschiedlichen Plattformen Accounts haben, über die ich dann Links zu meinen neuen Beiträgen poste, und mich pro Kanal auch um die Kommunikation kümmern muss? Das gibt es im Fediverse bereits. Wenn sich Blogs jetzt auch außerhalb der vorhandenen Möglichkeiten vernetzen können, ist das eine gute Sache. Das freie Internet ist nicht nur in Gefahr, es liegt sozusagen schon am Boden. Die immer noch recht große Bloglandschaft wurde über die Jahre durch die Algorithmen der großen Suchmaschinen zunehmend unsichtbarer gemacht. Und was wir jetzt mit KI erleben, lässt die Bloglandschaft letztendlich ganz verschwinden.
Und warum rüste ich ab und nicht auf?
Abrüsten bezieht sich bei mir einerseits auf die Verwendung der Blogsoftware und auch darauf, dass ich schon bei meinem WordPress-Blog das ActivityPub-Plugin nicht verwendet habe. Ich wollte mein Blog nicht zu einer Fediverse-Instanz machen, da ich schon eine betreibe. Außerdem empfinde ich den Mix in den Kommentaren als eher verwirrend für die Leser. Wenn jemand auf einen aus dem Fediverse stammenden Kommentar antworten möchte, ist das natürlich nur mit einem Handle möglich. Ich glaube, damit können viele Menschen, die nicht selbst im Fediverse aktiv sind, überhaupt nichts anfangen. Zudem gibt es Menschen, die in ihren Accounteinstellungen im Fediverse ganz bewusst die Option wählen, dass ihr Profil nicht in Suchmaschinen auftauchen soll. Wenn sie einen Beitrag kommentieren, der dann im Blog erscheint und sich aus Versehen eine Suchmaschine auf dem Blog verirrt, hat sich das dann erledigt. Und es ist auch nicht immer ersichtlich, ob ein Kommentar, den man im Fediverse auf einen Blogbeitrag schreibt, auch in der Kommentarspalte des jeweiligen Blogs angezeigt wird.
Nicht falsch verstehen: Für mich ist es unverzichtbar, mit meinem Blog im Fediverse präsent zu sein. Ich bin auch der Meinung, dass ein solcher Mix in den Kommentarspalten für Leser:innen interessant sein kann. Es ist jedoch nicht wirklich konsistent, zumindest was die aktive Beteiligung im Kommentarbereich eines Blogs betrifft. Das ließe sich sicherlich noch viel weiter treiben, indem man beispielsweise eine Verbindung zu Bluesky herstellt. Nur wenn jemand auf einen Kommentar antworten möchte, der aus dem Fediverse oder von Bluesky stammt, kann das irritierend sein, da man zunächst nicht versteht, was zu tun ist. Das liegt dann daran, dass man sich selbst vielleicht nicht in den entsprechenden Universen aufhält und dementsprechend auch keinen Account hat. Und selbst mir passiert es oft, dass ich, wenn ich auf so einen Kommentar antworten möchte, gerade mal wieder mein Handle nicht im Kopf habe.
Für Blogbetreiber:innen eine gute Sache
Für Blogbetreiber:innen ist das natürlich eine super Sache. Man hat alles auf seiner Plattform und in Zukunft wird man darüber sicherlich noch viel mehr steuern können. Persönlich verfolge ich gedanklich allerdings einen etwas anderen Ansatz. Warum nicht gleich alles in das Fediverse verlagern? Warum überhaupt noch eine Kommentarfunktion im Blog?
Wenn ich mir mein anderes Blog auf Basis von WordPress so anschaue, dann kommentieren dort ausschließlich Blogger:innen. Ich mag den Austausch wirklich sehr gern, nur Kommentare von Menschen ohne Blog gibt es dort nicht. Das ist nicht verwunderlich, da gerade kleinere Blogs so gut wie keinen organischen Traffic mehr von Suchmaschinen bekommen. Bei altgedienten Blogs mag das noch anders aussehen, aber auch da gibt es zunehmend Einbrüche. Durch KI-Zusammenfassungen als Ergebnis einer Suchanfrage in den Suchmaschinen selbst wird das alles noch viel schlimmer.
Wie wahrscheinlich ist es, dass jemand über eine Suchmaschine auf dein Blog kommt und dann auch noch einen Kommentar schreibt? Ich würde sagen, die Chance ist eher gering. Daher frage ich mich, warum der Kommentarbereich jetzt zur Sammelstelle für alles werden soll? Das ergibt natürlich Sinn, wenn man sein Blog zur eigenen Instanz machen möchte. Aber wenn man schon eine betreibt, braucht man das im Prinzip nicht, außer man möchte auch weiterhin Kommentare direkt auf seinem Blog ermöglichen.
Meine Gedanken gehen natürlich eher in Richtung Zukunft, denn nicht alle Blogger:innen sind mit ihren Blogs oder Accounts im Fediverse vertreten. Daher spielt der Kommentarbereich in Blogs nach wie vor eine große Rolle. Ich persönlich möchte diesen Schritt aber gehen und als Alternative vielleicht E-Mail-Kommentare anbieten. Ich weiß, dass viele das nicht mögen, aber man muss das ja auch nicht nutzen.
Blog oder Instanz?
Wie ich anfangs schon kurz erwähnte, glaube ich, dass Blogs zunehmend zu einer eigenständigen Instanz im Fediverse werden. Die Newsletter- und Blogsoftware Ghost geht diesen Weg, und auch mit WordPress ist das möglich. Für mich persönlich gibt es dabei zwei Kernpunkte. Entweder habe ich ein Blog mit integrierten Kommunikationsmöglichkeiten oder ich nutze andere Systeme, die das nicht bieten. WriteFreely ist zum Beispiel so ein Fall. Zwar kann man diesem Blog von jeder Instanz aus folgen, aber es gibt keinen Kommentarbereich. Die eigentliche Kommunikation findet ausschließlich im Fediverse statt. Das ist bei WriteFreely leider nicht sonderlich gut gelöst, denn ich bekomme nicht mit, ob jemand auf einen Beitrag geantwortet hat. Allerdings kann ich mir von meiner Instanz aus selbst folgen und bekomme es dann doch irgendwie mit. Alles recht umständlich, aber ich mag diese Lösung, denn mein Zentrum ist meine eigene Mastodon-Instanz, über die alles läuft.
Andererseits finde ich es gut, dass Blogs als eigenständiges System zu einer Instanz im Ferdiverse werden können. Das kann aus Sicht von Blogger:innen viele Vorteile haben, wenn das eigentliche Bloggen im Vordergrund steht. Alle Beiträge werden über ein großes Netzwerk geteilt und es kann mit ihnen interagiert werden, sofern man selbst Teil des Netzwerks ist. Beiträge müssen nicht mehr cross-gepostet werden und die Kommunikation kann über das eigene Blog geführt werden.
Das wird sicherlich richtig interessant, wenn Bloggen und Mikrobloggen auf einer Oberfläche getrennt voneinander stattfinden können. Momentan findet ja alles nur im Kommentarbereich statt. Ich schreibe einen Artikel und die Kommentare aus dem Fediverse erscheinen in der Kommentarspalte des Blogs. Meine Antworten darauf dann im Kommentarbereich und im Fediverse. Wenn es jetzt einen separaten Bereich zum Mikrobloggen gäbe, in dem die Kommunikation nicht zusätzlich im Kommentarbereich des Blogs auftaucht, wäre das spannend. Wenn ich mich nicht täusche, soll das bei Ghost demnächst möglich sein.
Auf jeden Fall gibt es viel Bewegung
Ich finde es wirklich klasse, dass gerade im Hinblick auf das freie Internet so einiges passiert. Von der Anbindung an das Fediverse über Blogsuchmaschinen bis hin zu Webmentions gibt es viele Entwicklungen. Es muss einfach noch einen Ort geben, der frei von Ausbeutung, Überwachung und Big Tech ist.
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